Weizenunverträglichkeiten – Hype oder Herausforderung?  [07.01.19]

WissenschaftlerInnen der Universität Hohenheim forschen an verschiedenen Aspekten von Nahrungsmittelunverträglichkeiten. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Ernährungsmedizin" sind mehrere Beiträge zu Weizenallergien bzw. -sensitivität veröffentlicht.

Quelle: Pixabay

Aktuelle Ernährungsmedizin 2018; 43(06)

Übersicht

Glutenfrei = Problemfrei?

Immer mehr Menschen, die nicht an Zöliakie erkrankt sind, ernähren sich glutenfrei. Neben ungeklärten abdominellen Symptomen sind auch andere Beschwerden (z. B. Müdigkeit, Hautveränderungen, Gelenkbeschwerden) Gründe für eine gluten- bzw. weizenfreie Ernährung. Aber auch gesunde Personen erhoffen sich vom Glutenverzicht im Rahmen des „frei-von“-Trends einen gesundheitlichen Nutzen. Inzwischen weisen Studien auf eine mögliche Schwermetallbelastung durch eine glutenfreien Diät hin, die sich u. a. in erhöhten Arsenurinkonzentrationen und Quecksilberblutspiegeln manifestiert. Ursache hierfür ist vor allem der hohe Anteil an belastetem Reis und Reismehl in vielen glutenfreien Produkten. Als weitere negative Effekte einer glutenfreien Diät werden ein erhöhtes Herz-Kreislauf- und Typ-2-Diabetes-Risiko durch eine verringerte Ballaststoffzufuhr diskutiert.... (Wünsche et. al., 2018)

Originalarbeiten

Weizenunverträglichkeiten – Hype oder Herausforderung?

Die Weizenallergie, die Zöliakie und die Nicht-Zöliakie-Nicht-Allergie-Weizensensitivität (Non-celiac-wheat sensitivity; NCWS) werden als Weizenunverträglichkeiten zusammengefasst. Trotz unterschiedlicher Pathomechanismen äußern sich alle 3 Entitäten durch zum Teil überlappende Symptome. Die Weizenallergie ist weltweit die häufigste Nahrungsmittelallergie bei Erwachsenen und kann entweder IgE- oder nicht-IgE-vermittelt auftreten. Sie ist gegen verschiedene Weizenproteine gerichtet, weshalb die Betroffenen eine lebenslange weizenfreie Therapie einhalten müssen. Auch glutenfreie Lebensmittel sollten aufgrund eventuell vorhandener, glutenfreier Weizenstärke gemieden werden.

Zöliakie, eine glutensensitive Enteropathie, tritt fast ausschließlich bei genetisch disponierten Individuen auf. An der Pathogenese sind sowohl das angeborene als auch das adaptive Immunsystem beteiligt. Durch die Entstehung von Antikörpern gegen ein körpereigenes Enzym, die Gewebstransglutaminase, besitzt diese Krankheit zusätzlich eine autoimmune Komponente. Unter Einhaltung einer strikt glutenfreien Diät (< 10 mg Gluten pro Tag) verbessern sich bei den meisten Patienten die Symptome rasch.

Während die Mechanismen der Weizenallergie und der Zöliakie bereits eingehend untersucht wurden, besteht noch Unklarheit bezüglich der NCWS. Diese relativ neue Krankheitsentität kann bisher nur mittels Ausschlussdiagnose von Weizenallergie und Zöliakie festgestellt werden. Obwohl die genauen Auslöser dieser Krankheit noch nicht identifiziert sind, es werden FODMAPS, Gluten und α-Amylase-Trypsin-Inhibitoren diskutiert, stellt eine glutenfreie Ernährung die einzig mögliche Therapie dar.

Als Ursache für die Zunahme von Getreideunverträglichkeiten werden Veränderungen bezüglich der Hygienemaßnahmen, der Getreidegenetik, der Herstellungsverfahren für Brot und Backwaren, der Ernährungsweise, und schließlich eine intensiver verwendete Diagnostik diskutiert....(Bischoff & Zimmermann, 2018)

Herstellung und Bewertung glutenfreier Brotsorten

Glutenfreie Backwaren erfreuen sich einer immer größer werdenden Beliebtheit, nicht nur bei Zöliakie-Patienten. Allerdings übernimmt Gluten technologisch wichtige Funktionen im Brotteig und ist für die Verbrauchererwartung von Weizenbroten essentiell. Dieser Artikel zeigt die Schwierigkeiten bei der Herstellung qualitativ hochwertiger glutenfreier Backwaren und die verschiedenen Ansätze, den Einfluss des Glutens auf die Teigrheologie zu ersetzen. (Hermannseder & Hitzmann, 2018)

Die Eigenschaften des fertigen Getreideprodukts im Einkaufskorb des Verbrauchers werden von einer ganzen Reihe an Einflussfaktoren bestimmt. Angefangen beim Anbau sind hier unter anderem die Wahl der Sorte, die Düngung oder das Klima von großer Bedeutung. Während des Mahlvorgangs dagegen nehmen die Mahlart des Korns, das Mischen verschiedener Sorten oder die Wahl der Mehltype, z. B. zwischen Auszugsmehl oder Vollkornmehl, großen Einfluss. Bei der Verarbeitung beim Bäcker bestimmen zusätzlich die verwendeten Rohstoffe, das gewählte Rezept, die verwendeten Zusatzstoffe und Enzyme sowie die Teigführung die spätere Beschaffenheit der Produkte. (Longin & Zimmermann, 2018)

Viewpoint

Nicht-Zöliakie-Gluten-/Weizen-Sensitivität (NCGS) – ein bislang nicht definiertes Krankheitsbild mit fehlenden Diagnosekriterien und unbekannter Häufigkeit

In den letzten Jahren häuft sich die Nennung der Nicht-Zöliakie-Gluten-/Weizen-Sensitivität (NCGS, „non celiac gluten sensitivity“) sowohl in den Medien, aber auch in Fachkreisen. Die Existenz und die möglichen verantwortlichen Trigger werden kontrovers diskutiert. Drei internationale Expertentreffen mit Empfehlungen zur NCGS waren nicht unabhängig organisiert und wenig transparent bezüglich potenzieller Interessenkonflikte der Teilnehmer. Das vorliegende Positionspapier enthält wichtige Überlegungen aus allergologischer und ernährungsphysiologischer Sicht. (Reese et. al., 2018)


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