Alternative Proteine - Woher kommen unsere Proteine in Zukunft  [10.01.24]

Alternative Proteine, die z.B. aus Algen, Soja, verschiedenen Hülsenfrüchten oder anderen natürlichen und bisher wenig genutzten Eiweißquellen gewonnen werden, können das globale Ernährungssystem nachhaltiger und tierfreundlicher gestalten sowie die öffentliche Gesundheit verbessern. Auch wenn es schon verschiedene vegetarische Alternativen zu den heute meist tierischen Proteinquellen gibt, müssen noch einige Herausforderungen für ein umfassendes Geschmackserlebnis gemeistert werden. Ein Artikel in "PROCESS" (09.01.2024) von M.A. Manja Wühr stellt aktuelle Forschung an der Universität Hohenheim zum Thema vor:

New Foods – Gesünder, nachhaltiger u. vielfältiger: Plant Based Innovation. Copyright Universität Hohenheim, Bild: Wolfram Scheible

 

Originalquelle ohne Verlinkungen: Food & Beverage Alternative Proteinquellen: Der Weg zu nachhaltiger Ernährung

Proteine sind in aller Munde. Ein Großteil basiert auf Fleisch, Fisch oder Milchprodukten. Oft zu Lasten von Umwelt und Natur. Deswegen suchen immer mehr Menschen nach Alternativen. Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän, Leiterin des UFZ-Departments Bioenergie und Co-Vorsitzende des Bioökonomierats, sieht, dass in der Bioökonomie in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viele gute Ansätze entwickelt wurden: „Man kann Erfolge zum Beispiel an neuen Nahrungsmitteln festmachen, die mittlerweile in allen Supermarktregalen zu finden sind. Sie bestehen nicht mehr aus Fleisch, sondern nutzen alternative Proteine, die etwa aus Algen, Soja, verschiedenen Hülsenfrüchten oder auch der Jackfrucht bestehen. Auch die Nutzung von Insektenproteinen bei der Herstellung von Nahrungsmitteln ist nicht mehr ungewöhnlich. Perspektivisch werden sicher auch Proteine eine Rolle spielen, die über Präzisionsfermentation durch bestimmte Mikroorganismen hergestellt werden.“

Noch hinkt die Umsetzung den Erwartungen jedoch hinterher. Thrän hält dafür drei Fragen für relevant. „Erstens: Wie viel Biomasse haben wir überhaupt zur Verfügung? Zweitens: Wie kommen wir zu neuen Verfahren, die diese Biomasse effizient für innovative Produkte nutzen? Drittens: Wie machen wir das so, dass diese Aktivitäten nicht im Widerspruch beispielsweise zu den Biodiversitätszielen stehen oder zu Verteilungsungerechtigkeiten, auch im internationalen Bereich, führen?“

Insekten als Proteinlieferanten

In vielen Teilen der Welt kommen Insekten auf den Tisch. In Europa ist das Essen von Insekten bisher eher unüblich. Das könnte sich künftig ändern. Derzeit sind vier auf dem europäischen Markt zugelassen: Mehlwürmer, Wanderheuschrecken, Hausgrillen und Buffalowürmer – die Larven des Getreideschimmelkäfers.

Für viele Menschen gehören Insekten fest zum Speiseplan. In Japan isst man gerne gekochte Wespenlarven, in Nigeria geröstete Heuschrecken oder in Mexiko gekochte Ameisenlarven mit Knoblauch. In Europa dürfen die Krabbeltiere nun auch auf den Teller. Die Europäische Kommission bisher vier Zulassungen für Insekten als Lebensmittel erteilt:

  • Mehlkäfer (Tenebrio molitor), im Larvenstadium getrocknet.
  • Wanderheuschrecke (Locusta migratoria), gefroren, getrocknet, pulverförmig.
  • Hausgrille (Acheta domesticus), gefroren, getrocknet, pulverförmig/ teilweise entfettetes Pulver
  • Buffalowurm/Getreideschimmelkäfer (Alphitobius diaperinus), gefroren, pastenartig, getrocknet, pulverisiert.

Sie dürfen unter anderem Brot, Nudeln oder Chips zugesetzt werden – solange die Produkte entsprechend gekennzeichnet werden.

Die Vorteile für Insekten als Proteinquelle sind bestechend: So kommt das Dechema-Positionspapier „Biotechnologie als Chance für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion“ zu dem Schluss, dass Insekten aufgrund ihres hohen Proteingehalts großes Potential haben. Zudem benötigen sie kleinere Zuchtflächen und haben einen geringeren spezifischen Futterbedarf im Vergleich zu Proteinlieferanten aus der Gruppe der höheren Tiere. Sie leiden jedoch einem Imageproblem: Verbraucher sich schwer etwas Neues oder Unbekanntes anzunehmen. Pflanzenproteine erfahren im Vergleich mit Insektenprotein und Cultured Meat eine höhere emotionale Akzeptanz, so das Dechema-Positionspapier.

Vegane Fleisch- und Wurstwaren

„Für die Produktion veganer Wurst-Alternativen benötigt man im Wesentlichen die gleiche Ausstattung wie für das fleischhaltige Original“, erklärt Sebastian Mannweiler. Er ist einer von neun Promovierenden des Bachelor-Studiengangs Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie an der Universität Hohenheim.  "Wir konnten unser Forschungsspektrum deshalb ohne große Investitionen in den letzten Jahren enorm erweitern. Aus dem gleichen Grund ist es übrigens auch Herstellern von Fleisch- und Wurstwaren gelungen, sich im neuen Marktsegment sehr erfolgreich zu etablieren. Rügenwalder Mühle beispielsweise verkaufte 2022 sogar erstmals mehr Vegetarisches als Fleisch.“ Doch es gibt noch einiges zu tun: So stellt ein „fleischiges“ Mundgefühl noch eine Herausforderung dar.

„Die steigende Nachfrage nach Fleischersatzprodukten ist vor allem auf eine wachsende Zahl an Flexitarier:innen zurückzuführen“, erklärt Promovierender Maurice König. „Diese Zielgruppe lehnt Fleisch nicht wegen des Geschmacks ab, sondern will ihren Konsum z. B. aus Gründen der CO2-Bilanz oder des Tierwohls bewusster gestalten. Die Marktforschung zeigt, dass sich diese Personen insbesondere von veganen Produkten überzeugen lassen, die ihren tierbasierten Vorbildern in Aussehen, Textur und Geschmack möglichst gut nacheifern.“

Und genau hier beginnt die Mission der jungen Forschenden. Denn während sich für einige tierische Produkte, wie Hackfleisch oder Brühwürste, bereits eine Vielzahl überzeugender pflanzlicher Analogprodukte auf dem Markt finden, stellen härtere Wurstsorten, wie Kochschinken oder Salami, nach wie vor eine große Herausforderung dar. Der Grund hierfür ist ihre komplexe Textur mit Muskelfasern, die sich beim Kauen durch ein spezifisches „fleischiges“ Mundgefühl auszeichnet.

 

Projektseminar Ham without Oink: Studierende des Bachelor-Studiengangs Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie an der Universität Hohenheim haben einen veganen Kochschinken mit Räucherkruste entwickelt. (Bild: Universität Hohenheim / Corinna Schmid)

„In unserem Projektseminar ‚Ham without Oink‘ haben wir gemeinsam einen veganen Kochschinken mit Räucherkruste entwickelt, der fest, aber gleichzeitig auch elastisch und saftig ist und beim Kauen an das Original erinnert“, fasst studentische Teilenehmerin Saskia zusammen. Die erste Erkenntnis? In vielen veganen Wurstalternativen kommen pflanzliche Verdickungsmittel zum Einsatz, z. B. Guarkernmehl, Carrageen, Agar-Agar oder Pektin. Sie sorgen beispielsweise dafür, dass eine vegane Lyoner saftig und zugleich schnittfest ist. Für den veganen Schinken eignen sich solche Hydrokolloide jedoch weniger, weil dem Endprodukt der notwendige Biss und die gewünschte Textur fehlt.

Stattdessen probierten die beiden Studentinnen das Weizenprotein Gluten als wasserbindende Alternative aus. Ein Vorteil: Durch einfaches Dehnen der Grundmasse lassen sich die langkettigen Eiweißmoleküle in eine gleichförmige Ausrichtung bringen. So entsteht eine faserige Struktur, die im Mund an Fleisch erinnert.

Fischalternativen aus Mikroalgen

Tortelloni mit Mikroalgen-Füllung: Forschende der Universität Hohenheim experimentieren mit Mikroalgen als neuartigem Lebensmittel. (Bild: Lena Kopp / Universität Hohenheim)

Mikroalgen sind wahre Wunderwesen: Sie können regional gezüchtet werden, was die Transportwege verkürzt. Zudem binden sie einen Teil des klimaschädlichen Kohlendioxids. Verarbeitet zu Lebensmitteln liefern sie wichtige Omega-3-Fettsäuren und viel Protein, Ballaststoffe, Vitamine und Carotinoide. Doch bevor sie Bestandteil der menschlichen Ernährung werden können, müssen die Forschenden der Universität Hohenheim in Stuttgart zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB noch viele Fragen klären.

„Bisher findet sich auf dem Markt keine wirklich befriedigende Alternative zu Fisch, die auch dessen ernährungsphysiologisch wichtigen Inhaltsstoffe liefert“, sagt Prof. Dr. med. Stephan Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin, der Leiter dieses Forschungsprojekts. „Zwar gibt es bereits proteinreiche Ersatzprodukte, die vor allem aus Hülsenfrüchten wie Erbsen und Soja hergestellt werden. Aber wichtige Inhaltsstoffe tierischer Lebensmittel wie beispielsweise die für unsere Gesundheit so wichtigen Omega-3-Fettsäuren fehlen darin.“

Bisher findet sich auf dem Markt keine wirklich befriedigende Alternative zu Fisch, die auch dessen ernährungsphysiologisch wichtigen Inhaltsstoffe liefert.

Prof. Dr. med. Stephan Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin

Deswegen setzen er und andere Forschende auf Mikroalgen. Ausgesucht haben sie sich eine spezielle Art mit dem komplizierten Namen Phaeodactylum tricornutum. Denn sie bietet so ziemlich alles, was der Fisch auch hat – und noch viel mehr, weiß Dr. Lena Kopp, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ernährungsmedizin: „Die getrockneten Mikroalgen weisen neben einem Proteinanteil von fast 50 Prozent in der Trockenmasse auch nennenswerte Mengen der langkettigen Omega-3-Fettsäure Eicosapentaensäure, kurz EPA, auf. Zudem enthalten sie auch wasserlösliche Ballaststoffe, die wichtig für die Darmgesundheit sind, sowie Vitamin E und Carotinoide.“

 

Gezüchtet werden die Mikroalgen derzeit am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart. Dort stehen große beleuchtete Photo-Bioreaktoren, in denen die Algen in einer Nährflüssigkeit wachsen. „Durch die Kulturbedingungen können die Forschenden Einfluss auf die Inhaltsstoffe nehmen“, erklärt Dr. Kopp. „So produzieren die Mikroalgen viel EPA, wenn ihnen genügend Nährstoffe zur Verfügung stehen. Müssen sie jedoch hungern, bilden sie mehr Ballaststoffe.“

Zwar wird Phaeodactylum tricornutum bereits in Tierfutter verwendet, doch um die Mikroalge auch in Lebensmitteln für den Menschen verwenden zu können und zu dürfen, ist noch viel Forschungsarbeit erforderlich. Denn die Novel-Food-Verordnung der Europäischen Union (EU) sieht vor, dass Lebensmittel, die vor 1997 in der EU nicht in nennenswertem Umfang konsumiert wurden, erst ein Zulassungsverfahren durchlaufen müssen.

„Dafür müssen wir unter anderem nachweisen, dass es sich um ein sicheres Lebensmittel handelt“, beschreibt Dr. Kopp. „Es darf also – auch bei langfristigem Verzehr – den menschlichen Körper nicht schädigen.“ Um dies beurteilen zu können, untersuchen die Forschenden, welche der Inhaltsstoffe in welcher Menge vom menschlichen Körper aufgenommen werden.

Noch stellt sich jedoch ein Problem: „Die Mikroalgen schmecken und riechen sehr intensiv nach altem Fisch“, beschreibt Dr. Rigling, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Aromachemie. „Dafür können viele Inhaltsstoffe verantwortlich sein. Einer davon ist das Trimethylamin, das auch in länger gelagertem Fisch entsteht. Zwar lässt es sich durch kurzfristiges Erhitzen, wie etwa beim Pasteurisieren, entfernen. Aber bei längerer Lagerung kann es sich wieder neu bilden.“

Um den Geschmack der Mikroalgen zu verbessern, verfolgen die Forschenden deshalb einen neuartigen Ansatz: Fermentation mit Hilfe von Pilzen. „Dies ist eine uralte Zubereitungsart für Lebensmittel, die in Asien weit verbreitet, aber in Europa nahezu unbekannt ist“, sagt Prof. Dr. Yanyan Zhang von Fachgebiet Aromachemie. „Zwar kennen die Menschen hierzulande die Fermentation von Lebensmitteln, wie beispielsweise bei Joghurt und Sauerkraut, aber dafür werden Bakterien genutzt, keine Pilze.“

Für die Fermentation der Mikroalgen nutzen die Forschenden bestimmte Speisepilze: „Nach ersten Ergebnissen bauen diese Pilze tatsächlich die unerwünschten Substanzen ab“, sagt Dr. Rigling. „Allerdings leider auch zu einem kleinen Teil die erwünschten Inhaltsstoffe. Da müssen wir noch weiter experimentieren.“

Quelle: www.process.vogel.de/alternative-proteinquellen-nachhaltige-ernaehrung-a-6779040a7cfd0d37839cabd9b020f613/


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