Einführung
1. DEFINITION
Als Nahrungsmittelunverträglichkeitsreaktion werden nach Definition der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI) [1] folgende Reaktionen bezeichnet:
Abb. 1: Pathophysiologische Klassifizierung der Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Im engeren Sinn entspricht der Begriff der synonym gebrauchten Bezeichnung 'Nahrungsmittelintoleranz' und bezeichnet Unverträglichkeitserscheinungen ohne toxische oder allergische Reaktion.[2][3][4]
Die WHO-Klassifikation ICD-10 unterscheidet folgende Kategorien:
Einordnung | Bezeichnung |
---|---|
A05 | Sonstige bakteriell bedingte Lebensmittelvergiftungen |
L27.2 | Dermatitis durch aufgenommene Nahrungsmittel |
T78.0 | Anaphylaktischer Schock durch Nahrungsmittelunverträglichkeit |
T78.1 | Sonstige Nahrungsmittelunverträglichkeit, anderenorts nicht klassifiziert |
E70-E90 | Stoffwechselstörungen |
K90.0 | Zöliakie |
2. EPIDEMIOLOGIE
Es wird geschätzt, dass ungefähr ein bis zwei Prozent aller Menschen an einer Nahrungsmittelintoleranz leiden. Abweichend von dieser Zahl geben bei Befragungen 10-20 % der Menschen an, dass sie selbst denken an Nahrungsmittelintoleranzen zu leiden.[5]
3. PATHOPHYSIOLOGIE
3.1. Toxische Reaktionen
Toxische Reaktionen nach Nahrungsaufnahme begründen sich in einer für den Körper generellen Giftigkeit einzelner Nahrungsbestandteile.
3.2. Nicht-toxische Reaktionen
Nicht-toxische Reaktionen beruhen auf einer individuellen Empfindlichkeit des Körpers für Nahrungsbestandteile. Man unterscheidet in immunologische und nicht-immunologische Reaktionen.
3.2.1. Immunologische Reaktionen
Immunologische Reaktionen, gewöhnlich als Nahrungsmittelallergie bezeichnet, sind individuell vorkommende Unverträglichkeitsreaktionen, deren Symptome nach wiederholtem Allergen-Kontakt (Sensibilisierung) auftreten. Nach den zugrundeliegenden Pathomechanismen unterscheidet man zwei Formen:
- IgE-vermittelte Reaktionen
- Nicht-IgE-vermittelte Reaktionen (IgA und IgG): Die Gluten-Intoleranz (Zöliakie) gehört zu den immunologisch bedingten, nicht IgE-vermittelten Nahrungsmittelunverträglichkeiten.
3.2.2. Nicht-immunologische Reaktionen
Nach den zugrundeliegenden Pathomechanismen werden folgende Typen von Unverträglichkeitsreaktionen ohne toxischen oder allergischen Hintergrund unterschieden:
Resorptionsbedingte Intoleranzen (Transporterdefekte)
Ursache der resorptionsbedingten Intoleranzen sind verminderte ausgebildete oder vermindert funktionierende Transporter die es den betroffenen Personen unmöglich machen, bestimmte Nahrungsbestandteile (vollständig) zu resorbieren. Die Transporterdefekte können entweder angeboren oder erworben sein, wie z.B. bei der Fructosemalabsorption (intestinale Fructoseintoleranz).
Enzymatische Intoleranzen (Enzymopathien)
Ursache der Enzymopathien sind bestimmte Enzymmangel oder Enzymdefekte, die es den betroffenen Personen unmöglich machen, bestimmte Nahrungsbestandteile (vollständig) zu verdauen. Die Enzymmangel oder Enzymdefekte können entweder angeboren oder erworben sein. Folgende Enzymopathien sind bekannt:
- Laktoseintoleranz
- Hereditäre Fruktoseintoleranz
- Galaktose-Intoleranz (siehe auch Galaktosämie)
- Histamin-Intoleranz
- Saccharoseintoleranz
- Sorbitintoleranz
Pharmakologische Nahrungsmittel-Intoleranzen
Bestimmte Substanzen in Nahrungsmitteln sind pharmakologisch aktiv und können, wenn sie in großen Mengen verzehrt werden, zu Symptomen der Nahrungsmittel-Intoleranzen führen (relative Intoleranz):
- Biogene Amine (Tryptamin in Tomaten, Phenylethylamin in Schokolade, Tyramin in reifem Käse und Schokolade, Serotonin in Bananen und Nüssen)
- Glutamate (Glutamatunverträglichkeit)
- Koffein
Pseudoallergische Reaktionen auf Nahrungsmittelzusatzstoffe
Pseudoallergien gleichen Allergien in ihrem klinischen Bild, zeigen sich also mit ähnlichen Symptomen. Bei den Pseudoallergien kommt es zu einer unspezifischen Aktivierung und Degranulierung von Mastzellen.
Typische Auslöser sind:
- Lektine (enthalten z. B. in Bohnen)
- Salicylate in Äpfeln oder Aprikosen, aber auch die in Schmerzmitteln verwendete Acetylsalicylsäure
- Konservierungsstoffe (z. B. Benzoesäure)
- Säuerungsmittel (z. B. Zitronensäure, Essigsäure)
- bestimmte Medikamente (siehe dazu Intoleranz (Medizin))
- Farbstoffe (z. B. Tartrazin),
- Emulgatoren (z. B. Lecithin),
- Sulfite
4. SYMPTOME, THERAPIE UND VORBEUGUNG
Nahrungsmittelunverträglichkeiten manifestieren sich meist durch Irritationen der Haut und Schleimhäute. Aber auch Lunge, Gastrointestinalsystem (20 %) und Herzkreislaufsystem (10 %) können betroffen sein. Als Hauptsymptome gelten:[6]
- Juckreiz, Flush, Urtikaria, Quincke-Ödem
- Rhinokonjunktivitis, Heiserkeit, Hustenreiz, Asthma
- Juckreiz und Schwellungen der Mundschleimhaut oder im Larynx
- Übelkeit, Erbrechen, Koliken, Diarrhoe
- Tachykardie, Hypotonie, Extrasystolie
- Aufflammen einer atopischen Dermatitis
Vorbeugung und Therapie kann und sollte das Vermeiden der verantwortlich gemachten Lebensmittel sein.
5. QUELLEN
[1] C. Bruijnzeel-Koomen, C. Ortolani, K. Aas, C. Bindslev-Jensen, B. Björkstén, D. Moneret-Vautrin, B. Wüthrich: Adverse reactions to food. European Academy of Allergology and Clinical Immunology Subcommittee. In: Allergy. 1995 Aug;50(8), S. 623–635, PMID 7503398.
[2] Pschyrembel klinisches Wörterbuch. 261. neu bearb. Auflage. 2007, ISBN 978-3-11-018534-8.
[3] M. Classen, V. Diehl, K. Kochsiek: 14.4.3 Nahrungsmittelunverträglichkeiten In: Innere Medizin. 5. Auflage. Urban & Fischer-Verlag, München 2006, ISBN 3-437-44405-0, S. 1198.
[4] I. Koop, K. Beckh: 4.21 Nahrungsmittelunverträglichkeit, Nahrungsmittelallergie. In: Gastroenterologie Compact. Georg Thieme Verlag, 2002, ISBN 3-13-126311-3, S. 146.
[5] P. Fritsch: Dermatologie & Venerologie fürs Studium. Springer, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-79302-1, S. 124ff.
[6] P. Fritsch: Dermatologie & Venerologie fürs Studium. 2009, S. 124ff.
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